Genetische Zusammenhänge

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Warum altern wir?

Innere und äußere Faktoren beeinflussen den Alterungsprozess – Welche sind es ?

Durch fortgesetzte Auslese und Paarung der jeweils langlebigen Männchen und Weibchen hat der Evolutionsbiologe Rose, Stämme der Taufliege Drosophila melanogaster erhalten, die nach seiner Aussage fast doppelt so lange leben wie ohne solche Zuchtwahl, sich im Labor fortpflanzenden Artgenossen. Rose sieht in ihnen „Superfliegen“, die „in jedem Lebensalter vergleichsweise robuster und widerstandsfähiger gegenüber Streß“ seien. Bei dem Fahnden nach den Genvarianten – den Allelen – vermochte Rose eines dieser in Frage kommenden Allels lokalisiert zu haben. 

Die Natur entlässt die Alten

Die Annahme ist, dass Altern auf den Genen vorprogrammiert sei, die einzig darauf ausgerichtet sind, den Organismus zu zerstören.

Im späten 19. Jhdt glaubten viele Wissenschaftler, Seneszenz sei deshalb entstanden weil das Ableben der älteren Individuen die Überlebens- und Fortpflanzungschancen der jüngeren verbessere – etwa in folge entschärften Wettbewerbs um die verfügbaren Ressourcen. Die Annahme ist, dass Altern auf den Genen vorprogrammiert sei, die einzig darauf ausgerichtet sind, den Organismus zu zerstören. Diese Hypothese weist einen Widerspruch auf, nämlich unter anderem die Tatsache, dass die meisten wild lebenden Tiere gefressen werden oder sonstwie verenden, ehe sie an Altersschwäche sterben können. Einen andere Hypothese ist, die sich auf der Evolutionstheorie aufbaut, steuern die Gene zwar das Altern, doch sollen die ständigen Allele – manchmal Gerontogene genannt – nicht eigens zu diesem Zweck selektioniert worden sein. Vielmehr hätten sie sich in den Chromosomen verbergen können, weil die natürliche Auslese ihre Verbreitung nicht zu verhindern vermochte: auch ausgesprochen schädliche Allele verbleiben im Genom einer Spezies, wenn ihre Wirkung erst geraume Zeit nach dem Beginn der Fortpflanzungsfähigkeit einsetzt. Allele die erst in späteren Jahren zerstörerisch wirken, könnten sogar bevorzugt erhalten werden, wenn sie in jungen Jahren die Fitness des Organismus steigern. Dazu gehören möglicherweise Gene für die Herstellung von Geschlechtschromosomen. 
Eine der Kernaussagen der Evolutionstheorie ist, dass die tauglichen Individuen einer Population – jene, die aufgrund ihrer speziellen Mischung von Allelen in ihrer Umwelt am besten überleben und sich fortpflanzen können – den Genbestand künftiger Generationen auch am stärksten beeinflussen. Zufällige genetische Veränderungen, welche die Fitness verbessern, ermöglichen ihren Trägern mit gewisser Wahrscheinlichkeit, mehr Nachkommen zu haben. Nach einigen Generationen kann das entsprechende Merkmal dann häufiger vertreten sein. Mutationen hingegen, die ihre Träger ausnahmslos vor der Geschlechtsreife sterben lassen, bleiben zwangsläufig von der Vererbung ausgeschlossen.

Die Natur entlässt die Alten

Beispiel (von Steven Austad von der Harvard-Universität in Cambridge): mit zunehmendem Lebensalter steigt das Risiko bei Frauen, an Brustkrebs zu erkranken – vielleicht prädisponiere das für ihre Fruchtbarkeit unerläßliche Hormon Östrogen im Laufe der Zeit für diese bösartige Veränderung des Brustgewebes.

Den größten Teil seiner Geschichte starb der Mensch mit etwa 30-40 Jahren. Erst der Durchschnittsbürger der Industrienationen hat inzwischen eine Lebenserwartung von ungefähr 75 Jahren!

Finch (Universität von Südkalifornien) meint, dass zahlreiche Hormone und andere regulatorische Moleküle ihre Zielzellen schädigen könnten. Bei Nagern jedenfalls steuern Hypothalamus und Hypophyse nicht nur die Funktion der Eierstöcke, sondern scheinen auch zum Altern dieser Organe beizutragen – die ihrerseits im Rückkoppelungsprozess das Altern von Hypothalamus und Hypophyse zu beschleunigen scheinen. Nach Finchs Auffassung belegt dies, dass Altern zumindest teilweise von der Aktivität des Nerven- und Hormonsystems sowie der Wechselbeziehungen zwischen ihnen herrühre. 

Einwegkörper mit Verfallsdatum

Diese Nebenprodukte zahlreiche chemische Reaktionen spielten im Körper beim Altern eine Rolle.

Einwegkörper mit Verfallsdatum
Kirkwood (britischer medizinischer Forschungsrat in London) und Cutler (vom Alterforschungsinstitut in Bethesda) haben unabhängig von einander die Hypothese aufgestellt, dass die genetisch kontrollierten Erhaltungs- und Reparatursysteme lediglich gewährleistet, dass das Individuum lange genug überlebt, um sich fortzupflanzen.

Mitte der fünfziger Jahre hatte Denham Harman von der Universität von Nebraska in Lincoln die Idee propagiert, diese Nebenprodukte zahlreiche chemische Reaktionen spielten im Körper beim Altern eine Rolle. Da sie ein ungepaartes Elektron tragen, können sie DNA, Proteine, Fette und andere Moleküle im ganzen Organismus oxidieren – und dadurch schädigen. Sie können auch weitere Radiale und verwandte Oxidantien, beispielsweise Wasserstoffperoxid, erzeugen und damit destruktive Kettenreaktionen in Gang setzen. Harman nach, rührt das Altern möglicherweise daher, dass sich irreversible oxidative Schäden in Zellen und Geweben anhäufen.

Anthony Ceramis Hinweis, Glucose – der Hauptenergielieferant im menschlichen Körper – könne den Alterungsprozeß ebenfalls entscheidend vorantreiben. Cerami wies nach, dass Glucose langlebige Proteine wie den außerzellulären Gerüstbaustoff Kollagen langsam verändert, indem sie für Querverbindungen zwischen benachbarten Molekülen sorgt. Er behauptet, diese Glykolisierung trage möglicherweise dazu bei, dass die Dehnbarkeit von Bindegewebe und Herzmuskel mit der Zeit abnimmt. Sobald unsere Reparatursysteme diese und andere Verschleißerungen nicht mehr ausgleichen können, schreitet der Alterungsprozeß unaufhaltsam voran.

Genetische Lösungsschlüssel

Die Lebensdauer irgendeiner menschlichen Zelle beeinflussen.

Ähnliche Befunde wie Rose weisen Johnson und seine Kollegen vor, die an der Universität von Colorado durch selektive Züchtung wie auch durch Auslösen von Zufallsmutationen langlebige Vertreter der im Erdboden lebenden Fadenwurm-Art Caenorhabditis elegans erhielten. Johnson berichtete 1988, dass die Mutationen eines einzigen Gens, genannt age-1, die durchschnittliche Lebenszeit dieses Tieres um etwa 70 % erhöhen kann. Bemerkenswerterweise produzieren die mutierten Würmer Antioxidantien in höheren Konzentrationen, und zwar sowohl cytoplasmatische Superoxid-Dismutase als auch Katalase, die beim Menschen unter anderem den roten Blutfarbstoff Hämoglobin schützt, indem sie die Zerlegung von Peroxid in Sauerstoff und Wasser katalysiert. Außerdem sind sie weniger anfällig für Paraquat, ein Kontaktherbizid, das Superoxid-Radikale entstehen läßt. Das age-1-Gen wird durch die Mutation offensichtlich lahmgelegt. Falls der Ausfall des von ihm codierten Proteins bewirkt, dass der Organismus vermehrt Antioxidantien synthetisiert, müßte dieses Protein ihre Produktion normalerweise drosseln.

Warum jedoch sollte in Organismus die Herstellung solch entscheidender Substanzen unterdrücken? „Der Zweck ist wohl nicht, dem Wurm in einem bestimmten Alter sterben zu lassen“, konstatiert Johnson. Er vermutet vielmehr, es handle sich um den – freilich tödlichen – Nebeneffekt einer anderen, bislang unentdeckten Funktion, die womöglich für die Lebensphase bis zur Reproduktion wichtig sei.

Jazwinski erinnert indes daran, dass wir zahlreiche Gene sogar im noch einfacheren Organismen teilen. Er beschäftigt sich deshalb mit der Bäckerhefe (Saccharomyces scerevisiae) und identifizierte tatsächlich gleich mehrere Gene, die das Leben dieser einzelligen Organismen verlängern. Am besten erforscht ist bislang LAG 1 (nach englisch longevity assurance gene 1, Langlebigkeit gewährleistendes Gen 1). Es ist in jungen Zellen stärker aktiv als in älteren. Doch alte Zellen leben um ungefähr ein Drittel länger und bleiben dabei auch länger jung, wenn man die LAG 1-Aktivität künstlich steigert, nachdem seine Expression wie gewöhnlich nachläßt. Jazwinski weiß zwar noch nicht, welche Aufgabe das von LAG 1 codierte Protein erfüllt. Er entdeckte aber, dass sich ähnliches Gen in bestimmten Zellen des Menschen ausprägt, und sucht es nun zu isolieren, um herauszufinden, ob es die Lebensdauer irgendeiner menschlichen Zelle beeinflusse. Zudem will er außer LAG 1 zwei weitere Langlebigkeits-Gene der Hefe zusätzlich aktivieren, um zu untersuchen, ob die Effekte synergistisch oder vielleicht eher zerstörerisch zusammenwirken.Rose- Superfliegen: Viele von ihnen produzieren eine ungewöhnlich aktive Version des antioxidativen Enzyms Superoxid-Dismutase, wie es typischerweise im Cytoplasma vorkommt. Deren Genom beherbergt also eine veränderliche Form des Enzymgens. Superoxid-Dismutasen schützen nicht nur Taufliegen, sondern auch andere Organismen bis hin zum Menschen vor oxidativen Schäden, indem sie dabei helfen, das zu neutralisieren. Die Enzym-Variante ist allerdings nur einer von vielen Faktoren, die eine Drosophila zur Superfliege machen.

Theorie der freien Radikalen

Eine Theorie des Alterns postuliert, dass der menschliche Körper mit der Zeit verfällt, weil er fortwährend potentiell zerstörerische oxidative Substanzen produziert – freie Sauerstoffradikale.

Membranen: Oxidation von Lipiden und Proteinen kann die Integrität der Außen- und Innenmembranen verletzen und ihre Permeabilität verändern. Geschädigte Zellen können zerfallen.Mitochondrien: Diese energieliefernden Organellen – eine Hauptquelle freier Radikale – haben besonders gefährdete DNA und Membranen.Proteine: Freie Radikale können Proteine inner- und außerhalb von Zellen schädigen, darunter auch viele Enzyme, die durch Oxidation an ihren katalytischen Zentren inaktiviert werden.Chromosomen: Angriffe freier Radikale auf die DNA können die Menge hergestellter Proteine wie auch deren Genauigkeit beeinträchtigen.

Eine Theorie des Alterns postuliert, dass der menschliche Körper mit der Zeit verfällt, weil er fortwährend potentiell zerstörerische oxidative Substanzen produziert – freie Sauerstoffradikale.

Altern und Tod menschlicher Zellen in Kultur

Die Verdoppelungsfähigkeit der DNA mit zunehmendem Lebensalter nimmt ab.


Den Befunden über die Effekte freier Radikale zufolge werden wir also hinfällig und sterben, weil Verschleißerscheinungen nicht mehr völlig behoben werden können. Damit ist die Vorstellung, in unseren Chromosomen sei der Tod gleichsam vorprogrammiert, aber noch nicht widerlegt. Einiges spricht dafür, dass die Zellen in Kultur und Körper auf ähnliche Weise altern. So stellte sich heraus, dass die Verdoppelungsfähigkeit der DNA mit zunehmendem Lebensalter des Zellspenders abnimmt. Des weiteren können sich Fibroblasten von Patienten mit Werner-Syndrom – der zuerst 1904 von dem Kieler Arzt O. W. Werner beschriebenen rezessiv erblichen vorzeitigen Vergreisung – nicht so oft teilen wie diejenigen gesunder Gleichartiger. Während die Teilungsrate von Fibroblasten in Kultur allmählich sinkt, verändern sich, wie man in den letzten Jahren herausfand, systematisch die Ausprägung einiger Gene – und genau dies ließe sich für den Fall erwarten, dass ein genetisches Alterungsprogramm existiert. Es sind gene auf den Chromosomen 1 und 4, die für den Verlust der Replikationsfähigkeit mitverantwortlich sind. Zuallererst wird jedoch das c-fos-Gen abgeschaltet, wie Judith Campisi vom Lawrence-Berkeley-Laboratorium in Kalifornien feststellte. Dieser Vorgang beeinflußt möglicherweise viele der anderen beobachteten Veränderungen. Sowie das c-fos-Gen inaktiv bleibt, sind die Fibroblasten nicht mehr imstande, ihre DNA zu verdoppeln; folglich können sie sich auch nicht mehr teilen.

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